Von Delta zu Omikron

Vor fast einem Jahr habe ich diesen Text geschrieben, am Ende des ersten Corona-Jahres, mit Hoffnung auf ein besseres Jahr. War es nun besser, dieses Jahr 2021, das zweite Pandemie-Jahr?

Ja, vieles war gut, diese Frage kann ich so eindeutig beantworten. Ich habe ein Buch geschrieben, mein erstes Buch, es war und ist immer noch aufregend und hat mir großen Spaß gemacht. Das Buch ist jetzt im Lektorat, im Mai 2022 erscheint es. 

Es war für mich ein ereignisreiches Jahr. 2021 startet mit einem neuen Job, ich habe als Teamleiter im Impfzentrum Tempelhof angefangen zu arbeiten. Alles, was es dazu zu sagen gibt, habe ich am Tag der Schließung auf Facebook geschrieben, ich wiederhole es hier gerne.

Schluss aus und vorbei – eine unglaublich interessante Zeit ist vorbei, wir haben heute den letzten Impfgast in Tempelhof geimpft. Das CIZ Tempelhof ist jetzt Geschichte. Ich habe in den vergangenen 7 Monaten viel gelernt: über mich, ich habe neue Freundschaften geschlossen, interessante Menschen kennengelernt, Molekularbiolog*innen, Künstler*innen, Architekt*innen, Köch*innen, Schauspieler*innen, ich spreche nun 15 Wörter Farsi, zwei Wörter kurdisch, ich habe Geschichten von geflüchteten Menschen aus Syrien gehört, die mir zum Teil sehr Nahe gegangen sind, und, natürlich, wir haben alle viele, viele Menschen geimpft und glücklich gemacht. 

In Wahrheit war das Impfen ja nur ein Nebeneffekt, diese Impfzentren in Berlin sind nämlich ein riesiges Sozialexperiment, es wurden die unterschiedlichsten Menschen aus den unterschiedlichsten Welten zusammengebracht, die sich niemals im Leben begegnet wären und schon gar nicht soviel Zeit, vor allem so eine intensive Zeit miteinander verbracht hätten.

“Matthias”, sagte mir heute zum Abschied der 18-jährige T., “du warst mein erster Freund im Impfzentrum”. Ich erinnere mich an den ersten Tag von T. ich habe ihn geschult und er war, sagen wir mal, recht unmotiviert und gerne unpünktlich zu seinen ersten Schichten und naja, ich dachte: Ok, er ist jung, er muss noch was lernen. Und er hat was gelernt und mir heute diesen Satz zum Abschied gesagt. 

Es war eine eine tolle Zeit, diese impfen!

Der Sommer war gut! Ich bin in Paris gewesen, seit Jahren wieder, endlich. Ich mag Frankreich sehr gern, Paris ist eine großartige Stadt und erforderliche Recherchen für mein Buch haben mich an die Seine geführt, ich habe die Bibliothèque national de France von innen kennengelernt, dieses Raumschiff, erbaut in diesem mitterandesken-französichen Stil, den man nur in Frankreich findet.

Danach war ich noch ein paar Tage in meiner alten Heimat Wien. Wienliebe, für immer. So ist es halt.

Seit dem Sommer bin ich auch Kochanalyst, was genau das ist, ich weiß es nicht, aber es stand in der Zeitung und darum stimmt es. 

Nun ist das Jahr fast um, der Dezember ist da und mit dem Dezember ist Corona in seiner ganzen Wucht zurückgekehrt. Menschen futtern Wurmmittel für Pferde, glauben noch immer, dass Corona nicht so schlimm sei, mixen sich ihre eigenen Impfmittel, eine Minderheit bestimmt unser Leben. Sie sollten besser eine der vielen Reportagen gucken, die von dem Kampf um das Leben in den Krankenhäusern erzählen, wie diese hier. Einer der dort ungeimpften Patienten kommt dort zu Wort:

“Ich habe das Gefühl gehabt, dass die Politiker sich nur die Taschen voll machen. Wir haben große Mengen Impfstoff gekauft und das muss nun unter die Leute”.

Wenn ich so etwas höre frage ich mich, welchen Anteil die CDU und CSU mit ihren unrühmlichen Maskendeals an diesem Misstrauen in die Politik haben.

Immer öfter hört man von tragischen Schicksalen. In der Klasse von E, der Tochter meines Cousins, gab es den ersten Corona-Todesfall, die Mutter einer Mitschülerin von E. starb an Corona. Was wird es mit diesen Kindern machen, mit uns als Gesellschaft, dass so viele junge Menschen plötzlich sterben? Was ist mit den Kindern, die per Kaiserschnitt geholt werden, während die Mutter an Corona verstirbt? Werden wir bald von den Corona-Kindern reden, und meinen damit diejenigen, die zu Waisen und Halbwaisen wurden? 

Vor einem Jahr schrieb ich von der neuen Variante, der Delta-Variante, die aufgetaucht ist und für Unruhe sorge. Die Flüge nach Großbritannien wurden eingestellt. Heute heißt die neue Variante Omikron, diesmal sind es die Flüge nach Südafrika, die eingestellt wurden. In Berlin schließen, nach nur zwei Monaten, wieder die Clubs, wahrscheinlich, dass auch die Restaurants wieder schließen, überall Einschränkungen, Masken, testen, kurz: unser Leben ist weit davon entfernt, irgendetwas von dem goldenen glamourösen, wilden zwanziger Jahren zu sein, dass wir uns wir zwei Jahren erträumten. Vielmehr sitze ich in meiner Wohnung oft wie in einer Höhle und muss aufpassen, mich nicht komplett zu verkriechen, sondern da ich wieder herauszukommen. In der Wohnung ist es alles schon lichterfroh und adventlich dekoriert, ich werde die nächsten Tage auch noch ein paar Plätzchen backen. Ich werde berichten!

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